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Hans, das letzte Grubenpferd auf der Zeche Unna-Königsborn II/V, 1954

Grubenpferd Bergbau

Im 19. und 20. Jahrhundert spielten Pferde eine zentrale Rolle im Steinkohlenbergbau. Besonders im untertägigen Bereich der deutschen Zechen leisteten diese Tiere einen unverzichtbaren Beitrag zur Kohleförderung. Dieses Kapitel beleuchtet die geschichtlichen Hintergründe und die Arbeitsbedingungen der Grubenpferde und widmet sich insbesondere Hans, dem letzten Grubenpferd auf der Zeche Unna-Königsborn II/V im Jahr 1954.

Geschichtliche Hintergründe

Politischer und wirtschaftlicher Kontext

Der Einsatz von Pferden im Bergbau muss im Kontext der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts betrachtet werden. Die industrielle Revolution führte zu einem enormen Bedarf an Energie und Industrieprodukten. Neue Maschinen und Produktionsmethoden revolutionierten die Textil-, Bergbau- und Metallindustrie. Kleinbetriebe wurden bedeutungslos, während in Regionen wie Mittelengland, Lothringen, dem Saarland und dem Ruhrgebiet große Industrielandschaften entstanden.

Arbeitsbedingungen und soziale Veränderungen

Mit dem Wachstum der Industrie entstand eine neue Lohnarbeiterschicht, das Proletariat, das unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten musste. Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und gefährliche Arbeitsbedingungen waren die Norm. Die Bergarbeiter arbeiteten in engen, schlecht beleuchteten Stollen bei hohen Temperaturen und unter staubigen oder feuchten Bedingungen. Es gab kaum Schutz vor Unfällen, und die Bergleute waren stark von den Grubenbesitzern abhängig.

Grubenpferde im Bergbau

Einführung und Einsatz

Grubenpferde wurden im 19. Jahrhundert verstärkt im Bergbau eingesetzt, um die menschliche Arbeitskraft zu ersetzen und die Betriebsergebnisse zu optimieren. Auf den Zechen des Ruhrgebiets und im Saarland spielten die Pferde eine wichtige Rolle bei der Kohleförderung.

Arbeitsbedingungen der Pferde

Die Arbeitsbedingungen der Grubenpferde waren oft hart. Sie mussten schwere Lasten ziehen und arbeiteten in dunklen, engen Stollen. Anfangs wurden die Pferde morgens in die Grube gebracht und abends wieder an die Oberfläche gefahren. Später blieben sie dauerhaft unter Tage, und ihre Bedingungen verschlechterten sich zunehmend.

Arbeitsausrüstung der Grubenpferde

Geschirr und Schutzvorrichtungen

Die Pferde trugen ein einfaches Schleppgeschirr und ein Halfter. Zusätzlich wurden Schutzvorrichtungen wie Ohrenschutz und Lederkappen verwendet, um die Tiere vor Verletzungen zu bewahren. Diese Schutzmittel bestanden aus hartem Gummi und wurden verwendet, wenn die Tiere elektrische Drähte passieren mussten.

Leistung der Pferde

Die Leistung der Grubenpferde hing von verschiedenen Faktoren ab, wie der Steigung der Strecke, dem Zustand des Untergrunds und der technischen Ausstattung der Förderwagen. Ein Pferd zog durchschnittlich 8 Förderwagen mit einem Leergewicht von 2400 kg und einem Vollgewicht von 6800 kg. Unter besonders guten Bedingungen konnte die Wagenzahl bis auf 14 steigen.

Gesundheitszustand und Krankheiten der Grubenpferde

Überbeanspruchung und Krankheiten

Die Pferde litten häufig unter Überbeanspruchung und Krankheiten wie Druse und Rotz. Die Arbeit in den dunklen, staubigen und feuchten Stollen belastete ihr Immunsystem. Besonders der Rotz, eine hoch ansteckende Krankheit, führte oft zu epidemieartigen Ausbrüchen, die ganze Pferdebestände dahinrafften.

Augenverletzungen und Erblindung

Es gibt Berichte über Augenverletzungen und Erblindungen bei Grubenpferden. Diese Verletzungen wurden durch niedrige Firsthöhen und hervorstehende Leitungen verursacht. Eine Untersuchung ergab jedoch, dass die meisten Pferde nicht vollständig erblindeten, obwohl ihre Sehkraft durch die Bedingungen unter Tage beeinträchtigt war.

Tierschutz und gesetzliche Regelungen

Bergpolizeiliche Vorschriften

Aus Gründen der Unfallverhütung unterlagen die Pferdeförderung und der Umgang mit Grubenpferden strengen bergpolizeilichen Vorschriften. Diese Regelungen umfassten Maßnahmen zur Vermeidung von Misshandlungen und zur Sicherstellung der Sicherheit der Tiere und Menschen.

Zehn Gebote zur Unfallverhütung für Pferdeführer

  1. Du sollst dein Pferd nicht misshandeln!
  2. Du sollst deinem Pferd während der Schicht öfter zu trinken geben!
  3. Du sollst die rote Zuglampe nicht vergessen!
  4. Du sollst zuerst deinen Zug anknebeln und dann das Pferd vorspannen!
  5. Du sollst erst dein Pferd absträngen und dann den entgleisten Zug aufsetzen!
  6. Du sollst deinen Zug nur mit einer ordentlichen Remme bremsen und zum Stehen bringen!
  7. Du sollst vor oder neben deinem Pferde und nicht neben dem Zuge gehen!
  8. Du sollst im Schritt fahren und nicht jagen, auch nicht bei Schichtende!
  9. Du sollst niemals verbotswidrig auf deinem Zuge fahren!
  10. Du sollst nicht dulden, dass andere deinen Zug zum Mitfahren benutzen!

Hans: Das letzte Grubenpferd

Einsatz und Arbeitsbedingungen

Hans war das letzte Grubenpferd auf der Zeche Unna-Königsborn II/V. Seine Arbeitsbedingungen und die Fürsorge, die ihm zuteilwurde, spiegelten den Wandel im Umgang mit Grubenpferden wider. Trotz der harten Arbeit war die Beziehung zwischen Hans und den Bergleuten geprägt von Respekt und Kameradschaft.

Letzte Jahre und Abschied

1954 verließ Hans als letztes Grubenpferd die Zeche Unna-Königsborn II/V. Sein Abschied markierte das Ende einer Ära, in der Pferde eine zentrale Rolle im Bergbau spielten. Denkmäler und Erinnerungsstücke, wie das Denkmal vor dem Deutschen Bergbau-Museum in Bochum, erinnern an die treuen Dienste dieser Tiere.

Fazit

Die Geschichte der Grubenpferde ist ein beeindruckendes Zeugnis der industriellen Entwicklung und des technologischen Wandels im Steinkohlenbergbau. Diese treuen und robusten Tiere leisteten einen unverzichtbaren Beitrag zur Kohleförderung unter extremen Bedingungen. Mit der fortschreitenden Mechanisierung wurde ihre Arbeit jedoch zunehmend überflüssig. Heute erinnern Denkmäler und historische Berichte an die bedeutende Rolle der Grubenpferde und die harten Bedingungen, unter denen sie arbeiten mussten.

Quellenangaben

  1. E. Holin, „Grubenpferde, Zeugen der Zeitgeschichte,“ Zeitschrift für Bergbau und Geschichte, 1982.
  2. Jahresberichte der Gruben Von der Heydt, Altenwald, Jägersfreude und Dudweiler, 1850-1853.
  3. Statistik der staatlichen Steinkohlenbergwerke bei Saarbrücken, 1904.
  4. Etatjahrbericht der staatlichen Steinkohlenbergwerke bei Saarbrücken, 1911.
  5. Jahresbericht der Zeche Hannover, 1897/98.
  6. Zechenchronik, REVAG, Ausgabe 1, Dezember 1991.
  7. „Die letzten deutschen Wildpferde im Emscherbruch in Westfalen,“ Zeitschrift für Tierkunde, 1991.
  8. Chronik der Schachtanlage Niederberg, 1911-1986.
  9. „250 Jahre Bergbau im Grubenfeld Ensdorf,“ Chronik, 1980.
  10. Pferdebestandsstatistik der staatlichen Saargruben, 1918.
  11. Rentabilitätsberechnung, Zeitschrift der Bergmannsfreund, 1929.
  12. Pferdeunfallstatistik des Oberbergamtsbezirks Dortmund, 1918.
  13. Pferdebestandsstatistik des Oberbergamtsbezirks Dortmund, 1913-1963.
  14. „Wirtschaftlichkeit der Förderung mit Pferden,“ Zeitschrift für Bergbauwirtschaft, 1929.
  15. „Unfälle bei der Förderung mit tierischen Kräften,“ Zeitschrift der Bergmannsfreund, 1918.
  16. Karl Späh, „Die Gefahren der Motorisierung in den Untertagebetrieben der Zechen,“ Zeitschrift für Bergbau, 1942.
  17. Beschreibung der Pferdeställe Untertage, Archiv des walisischen National Museums in Cardiff, 1869.
  18. Artikel über Pferdeställe Untertage, Zeitschrift für Tierhaltung, 1920.
  19. Rentabilitätsberechnungen zur Pferdeförderung, Zeitschrift der Bergmannsfreund, 1883.
  20. Firma Wiechers, Dortmund, Verleih von Grubenpferden, 1920er Jahre.
  21. „Gestellung der Grubenpferde in Ibbenbüren,“ Zeitschrift für Bergbaugeschichte, 1923.
  22. „Die letzten Grubenpferde in Ibbenbüren,“ Zeitschrift für Bergbau und Geschichte, 1957.
  23. „Einsatz von Grubenpferden auf der Zeche Ewald,“ Zeitschrift für Bergbaugeschichte, 1959.
  24. Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau, 1960.
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