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Grubenpferde: Zeugen der Zeitgeschichte

Grubenpferd

Pferde haben in vielen Kulturen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und dem Fortschritt gespielt. Vom asiatischen Steppenvolk bis zur industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert waren Pferde ein unverzichtbarer Teil des menschlichen Lebens. Besonders bemerkenswert ist der Einsatz von Grubenpferden im untertägigen Bereich der deutschen Steinkohlenzechen. Dieser Ratgeber beleuchtet die Geschichte und Bedeutung der Grubenpferde, ihre Arbeitsbedingungen und den Übergang zu mechanisierten Fördersystemen.

Historische Entwicklung

Einführung der Pferdeförderung

Im 19. Jahrhundert wurde die Pferdeförderung als Ersatz für menschliche Arbeitskraft und zur Optimierung der Betriebsergebnisse eingeführt. An der Saar begann der Einsatz von Pferden 1835 in der Tagesstrecke der Grube Gerhard und 1842 im Ensdorfer Stollen der Grube Kronprinz. Bis 1875 waren im Königlichen Kohlenrevier von Saarbrücken über 600 Pferde unter Tage im Einsatz. Bis 1904 stieg die Zahl der eingesetzten Pferde in staatlichen Steinkohlenbergwerken bei Saarbrücken auf über 1660 an.

Einsatz im Ruhrgebiet

Auch im Ruhrgebiet kamen ab etwa 1840 Pferde zum Einsatz. Gruben wie Helene Amalie und Victoria Mathias in Essen begannen ab 1853 mit dem Einsatz von Pferden. Anfangs wurden die Pferde morgens mit dem Förderkorb in die Grube gebracht und abends wieder an die Oberfläche gefahren. Mit der Zeit verschlechterten sich die Bedingungen, und die Pferde blieben dauerhaft unter Tage.

Arbeitsbedingungen der Grubenpferde

Typen und Herkunft

In den Gruben des Ruhrgebiets wurden überwiegend kleinere, robuste Arbeitspferde eingesetzt. Diese Pferde stammten oft von regionalen Wildpferdebeständen ab, wie den „platten Münsterländern“ oder den „Dickköppen“ aus dem Emscherbruch. Auch Fjord-Pferde, Maultiere und Esel kamen zum Einsatz, diese Versuche wurden jedoch um die Jahrhundertwende aufgegeben.

Lebensbedingungen

Die Lebensbedingungen der Grubenpferde waren hart. Sie arbeiteten unter extremen Bedingungen in dunklen, engen Stollen und hatten oft nur begrenzten Zugang zu Tageslicht. Anfangs wurden sie noch täglich an die Oberfläche gebracht, später blieben sie dauerhaft unter Tage. Um die Gesundheit der Pferde zu gewährleisten, wurden zentrale Ställe auf den einzelnen Sohlen eingerichtet. Diese Ställe mussten gut belüftet sein, um Infektionskrankheiten vorzubeugen. Zusätzlich gab es Notställe entlang der Streckenbahn, wo die Pferde zwischen den Schichten gefüttert wurden.

Tabelle: Einsatz und Anzahl der Grubenpferde

Region Jahr Anzahl der Pferde Untertage
Saarland 1875 600
Saarbrücken 1904 1243
Ruhrgebiet 1897 32
Gesamtdeutschland 1913 11788
Dortmund 1920 3712
Ibbenbüren 1916 98

Übergang zur Mechanisierung

Einführung von Lokomotiven

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts setzte ein technischer Wandel ein. Ab 1903 wurden zunehmend mechanische Fördersysteme wie Seil- und Kettenbahnen sowie Grubenlokomotiven eingeführt. Auf der Zeche Pluto wurden ab 1904 Benzin-Lokomotiven eingesetzt, um die Pferde zu entlasten. Bis 1914 stieg die Anzahl der mechanischen Fördersysteme im Ruhrbergbau erheblich an.

Rückgang der Pferdeförderung

Der Einsatz von Grubenpferden nahm kontinuierlich ab, insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg. Die Zahl der Pferde in den drei Oberbergamtsbezirken Dortmund, Breslau und Bonn sank von 11788 im Jahr 1913 auf 5257 im Jahr 1920. Dieser Rückgang setzte sich in den folgenden Jahrzehnten fort, da immer mehr mechanische Fördersysteme die Pferde ersetzten.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Gesundheitsschutz

Pflege und Gesundheit

Um die Gesundheit der Pferde sicherzustellen, mussten die Grubenbetreiber besondere Maßnahmen ergreifen. Dazu gehörten regelmäßige tierärztliche Untersuchungen und eine gute Versorgung mit Futter und Wasser. Die Pferde durften keine zu langen Züge ziehen und wurden nicht in aufeinanderfolgenden Schichten eingesetzt, um Überbeanspruchung zu vermeiden. Verstöße gegen diese Regelungen wurden streng bestraft, um Misshandlungen der Tiere zu verhindern.

Verleih-Firmen und Rentabilität

Im Saarland wurde die Pferdeförderung zunächst von externen Unternehmern durchgeführt, die auch das Personal stellten. Ab 1883 übernahmen die Grubenbesitzer die Pferdeförderung selbst, um eine bessere Pflege und Überwachung der Pferde zu gewährleisten. Im Ruhrgebiet und in Ibbenbüren blieben die Pferde jedoch überwiegend im Besitz von Verleih-Firmen. Diese Firmen vermieteten die Pferde an die Gruben und waren für deren Versorgung verantwortlich.

Ende des Einsatzes von Grubenpferden

Letzte Einsätze

Im Ibbenbürener Bereich erreichte die Anzahl der Pferde 1916 ihren höchsten Stand mit 98 Tieren. Ab den 1950er Jahren wurden Grubenpferde dort nur noch gelegentlich eingesetzt. 1957 verließ Hugo als letztes Grubenpferd des Westfeldes den Untertagebetrieb. Im Ruhrgebiet wurden die letzten Grubenpferde in den 1960er Jahren außer Dienst gestellt.

Schlussfolgerung

Die Geschichte der Grubenpferde ist ein beeindruckendes Zeugnis der industriellen Entwicklung und des technologischen Wandels im Steinkohlenbergbau. Diese treuen und robusten Tiere leisteten einen unverzichtbaren Beitrag zur Kohleförderung unter extremen Bedingungen. Mit der fortschreitenden Mechanisierung wurde ihre Arbeit jedoch zunehmend überflüssig. Heute erinnern Denkmäler und historische Berichte an die bedeutende Rolle der Grubenpferde und die harten Bedingungen, unter denen sie arbeiten mussten.

Quellenangaben für dich zur weiteren Recherche

  1. E. Holin, „Grubenpferde, Zeugen der Zeitgeschichte,“ Zeitschrift für Bergbau und Geschichte, 1982.
  2. Jahresberichte der Gruben Von der Heydt, Altenwald, Jägersfreude und Dudweiler, 1850-1853.
  3. Statistik der staatlichen Steinkohlenbergwerke bei Saarbrücken, 1904.
  4. Etatjahrbericht der staatlichen Steinkohlenbergwerke bei Saarbrücken, 1911.
  5. Jahresbericht der Zeche Hannover, 1897/98.
  6. Zechenchronik, REVAG, Ausgabe 1, Dezember 1991.
  7. „Die letzten deutschen Wildpferde im Emscherbruch in Westfalen,“ Zeitschrift für Tierkunde, 1991.
  8. Chronik der Schachtanlage Niederberg, 1911-1986.
  9. „250 Jahre Bergbau im Grubenfeld Ensdorf,“ Chronik, 1980.
  10. Pferdebestandsstatistik der staatlichen Saargruben, 1918.
  11. Rentabilitätsberechnung, Zeitschrift der Bergmannsfreund, 1929.
  12. Pferdeunfallstatistik des Oberbergamtsbezirks Dortmund, 1918.
  13. Pferdebestandsstatistik des Oberbergamtsbezirks Dortmund, 1913-1963.
  14. „Wirtschaftlichkeit der Förderung mit Pferden,“ Zeitschrift für Bergbauwirtschaft, 1929.
  15. „Unfälle bei der Förderung mit tierischen Kräften,“ Zeitschrift der Bergmannsfreund, 1918.
  16. Karl Späh, „Die Gefahren der Motorisierung in den Untertagebetrieben der Zechen,“ Zeitschrift für Bergbau, 1942.
  17. Beschreibung der Pferdeställe Untertage, Archiv des walisischen National Museums in Cardiff, 1869.
  18. Artikel über Pferdeställe Untertage, Zeitschrift für Tierhaltung, 1920.
  19. Rentabilitätsberechnungen zur Pferdeförderung, Zeitschrift der Bergmannsfreund, 1883.
  20. Firma Wiechers, Dortmund, Verleih von Grubenpferden, 1920er Jahre.
  21. „Gestellung der Grubenpferde in Ibbenbüren,“ Zeitschrift für Bergbaugeschichte, 1923.
  22. „Die letzten Grubenpferde in Ibbenbüren,“ Zeitschrift für Bergbau und Geschichte, 1957.
  23. „Einsatz von Grubenpferden auf der Zeche Ewald,“ Zeitschrift für Bergbaugeschichte, 1959.
  24. Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau, 1960.

Fazit

Die Grubenpferde spielten eine wesentliche Rolle in der Geschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus. Ihr Einsatz ermöglichte die Förderung großer Mengen Kohle unter schwierigen Bedingungen und trug maßgeblich zur industriellen Entwicklung bei. Mit der fortschreitenden Mechanisierung verschwanden die Grubenpferde allmählich aus den Bergwerken, doch ihr Beitrag bleibt unvergessen. Denkmäler und historische Berichte erinnern an die harten Bedingungen, unter denen diese tapferen Tiere arbeiteten.

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