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Ein Elend ohne Ende? Das Kupieren bei Kaltblut-Pferden

Kupieren

Das Kupieren der Schweifrübe bei Kaltblut-Pferden ist ein kontroverses Thema, das ethische, praktische und kulturelle Aspekte umfasst. Dieser Ratgeber bietet eine detaillierte Analyse der Praxis des Kupierens, ihrer historischen und aktuellen Bedeutung sowie der rechtlichen Rahmenbedingungen in verschiedenen Ländern.

Historischer Hintergrund und Praktiken

Das Kupieren der Schweifrübe, also das Entfernen der Schweifhaare oder das Verkürzen der Schweifrübe selbst, hat historische Wurzeln, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Diese Praxis sollte insbesondere bei Hengsten deren Vitalität und Zeugungskraft betonen. Analog zur Hundeszene, wo Rassen wie Dobermänner und Boxer kupiert wurden, gibt es auch heute noch Befürworter des Kupierens unter Liebhabern von Kaltblut-Rassen.

Gründe für das Kupieren

  • Ästhetische Gründe: Ein kupierter Schweif lässt die muskulöse Kruppe eines Pferdes noch mächtiger erscheinen, was einen Eindruck von Kraft und Ausdauer vermitteln soll.
  • Praktische Überlegungen: Befürworter argumentieren, dass lange Schweife beim Holzrücken im Wald und beim Fahren gefährlich sein könnten. Allerdings ist dies in der Praxis kaum belegt, da Warmblut-Pferde in vielen Ländern ohne Probleme mit ungekürzten Schweifen Kutschen ziehen.

Ethische Überlegungen

Die ethischen Bedenken gegen das Kupieren sind zahlreich. Tierschutzorganisationen und viele Pferdeexperten kritisieren das Kupieren als unnötig und grausam. Das Entfernen der Schweifrübe beraubt die Pferde ihrer natürlichen Abwehr gegen Insekten und kann zu gesundheitlichen Problemen führen.

Aktuelle Rechtssituation

In vielen europäischen Ländern ist das Kupieren mittlerweile verboten oder stark reguliert. Die Gesetzgebung variiert jedoch:

Belgien

Seit dem 1. Oktober 2002 ist das Kupieren in Belgien verboten. Pferde, die nach diesem Datum kupiert wurden, dürfen nicht mehr auf offiziellen Veranstaltungen vorgestellt werden. Trotz dieses Verbots gibt es Berichte über einen „Kupier-Tourismus“ nach Frankreich, wo das Kupieren nicht verboten ist.

Niederlande

Auch in den Niederlanden ist das Kupieren nur bei medizinischer Indikation erlaubt. Das Verbot wird jedoch nicht streng durchgesetzt, und viele kupierte Pferde werden weiterhin akzeptiert.

Schweiz

In der Schweiz ist das Kupieren seit 1997 verboten, außer bei medizinischer Notwendigkeit. Die Gesetzgebung wird strikt durchgesetzt.

Deutschland

In Deutschland ist das Kupieren seit dem Tierschutzgesetz von 1998 nur noch bei medizinischer Indikation erlaubt. Das Gesetz betont den Schutz der physischen und psychischen Integrität der Tiere.

Gesetzeslage zum Kupieren von Pferden in Deutschland

Das Kupieren von Pferden, also das Verkürzen oder Entfernen der Schweifrübe, ist in Deutschland streng reguliert. Die gesetzlichen Bestimmungen zielen darauf ab, das Wohlbefinden der Tiere zu schützen und unnötige Leiden zu verhindern. Dieser Abschnitt bietet einen detaillierten Überblick über die relevante Gesetzgebung, Rechtsprechungen und die wichtigsten rechtlichen Bestimmungen.

Gesetzliche Grundlagen

Tierschutzgesetz (TierSchG)

Das Tierschutzgesetz (TierSchG) ist das zentrale Gesetz, das in Deutschland den Schutz von Tieren regelt. Es enthält umfassende Bestimmungen zum Umgang mit Tieren und legt strenge Vorgaben für chirurgische Eingriffe fest, die nicht medizinisch indiziert sind.

§ 1 TierSchG – Grundsatz

„Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

§ 6 TierSchG – Amputationen bei Wirbeltieren

„Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn:

  1. der Eingriff im Einzelfall a) nach tierärztlicher Indikation geboten ist, …

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung in Deutschland hat das Verbot des Kupierens von Pferden mehrfach bestätigt und präzisiert. Die Gerichte haben wiederholt klargestellt, dass ästhetische oder praktische Gründe keine ausreichende Rechtfertigung für das Kupieren darstellen.

Verwaltungsgerichtshof (VGH) München

In einem wegweisenden Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München wurde entschieden, dass das Kupieren von Pferden ohne medizinische Indikation gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Das Gericht betonte, dass der Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Tieres Vorrang vor den Interessen des Halters hat.

Urteil des VGH München, Az. 10 BV 18.2113

„Das Kupieren der Schweifrübe eines Pferdes stellt einen schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Tieres dar und ist nur bei zwingender medizinischer Indikation zulässig. Ästhetische oder funktionale Überlegungen des Halters sind keine ausreichenden Gründe für eine Ausnahme vom grundsätzlichen Amputationsverbot.“

Kommentierungen und Expertenmeinungen

In den bekannten juristischen Kommentaren zum Tierschutzgesetz wird die strikte Anwendung des § 6 TierSchG bekräftigt. Experten betonen die Bedeutung des umfassenden Schutzes der Tiere vor unnötigen Eingriffen.

Kommentar von Hirt/Maisack/Moritz

„Kürzen der Schweifrübe beim Pferd: Indikation nur bei bereits eingetretener Erkrankung, nicht zur Behebung einer bloßen ‚Untugend‘.“

„Erst recht keine Indikation ist gegeben, wenn hauptsächlich Erleichterungen für die Haltung oder Nutzung angestrebt werden. Dass sie (Amputationen/Gewerbezerstörungen, Zus.v.Verf.) der Haltungserleichterung dienen sollen, ist ebenfalls keine Rechtfertigung.“

Tabelle: Übersicht der relevanten Bestimmungen und Urteile

Gesetz / Urteil Inhalt Relevante Bestimmungen
Tierschutzgesetz (TierSchG) Grundsätze des Tierschutzes und Verbot von Amputationen § 1, § 6
Urteil des VGH München, Az. 10 BV 18.2113 Bestätigung des Kupierverbots ohne medizinische Indikation Urteilsspruch
Kommentar von Hirt/Maisack/Moritz Klare Feststellung, dass nur medizinische Gründe eine Ausnahme vom Amputationsverbot rechtfertigen Kommentar zu § 6 TierSchG

Tabelle: Übersicht der Kupierverbote in verschiedenen Ländern

Land Kupierverbot seit Ausnahmen bei medizinischer Indikation Gesetzesdurchsetzung
Belgien 2002 Ja Streng
Niederlande N/A Ja Locker
Schweiz 1997 Ja Streng
Deutschland 1998 Ja Moderat
Österreich 2005 Ja Streng

Fallbeispiele und Rechtsprechung

Fallbeispiel Belgien

Ein prominenter Fall in Belgien betraf eine Stuten- und Fohlenschau in Oudenpaarde, bei der die Polizei eingreifen musste. Kupierte Fohlen wurden umgehend zurückgeschickt und deren Papiere beschlagnahmt. Der amtliche Tierarzt benötigte Polizeischutz, und die Veranstaltung wurde abgebrochen. Klagen betroffener Züchter wurden vom Gericht abgewiesen.

Fallbeispiel Niederlande

In den Niederlanden wurde bei einer Körung in Hertogenbosch festgestellt, dass von rund 90 vorgestellten Hengsten nur einer nicht kupiert war, was die laxen Durchsetzungsmechanismen des Kupierverbots verdeutlicht.

Diskussion: Die Zukunft des Kupierens

Die Diskussion um das Kupieren ist ein Spiegelbild der Spannungen zwischen traditionellen Praktiken und modernen Tierschutzstandards. Während einige Züchter und Pferdeliebhaber das Kupieren als notwendiges Übel betrachten, um bestimmte ästhetische und funktionale Eigenschaften zu betonen, sehen Tierschützer darin eine unnötige und grausame Praxis.

Empfehlungen und Maßnahmen

  1. Strengere Gesetzgebung und Durchsetzung: Eine harmonisierte Gesetzgebung innerhalb der EU könnte helfen, den „Kupier-Tourismus“ zu unterbinden und einheitliche Tierschutzstandards durchzusetzen.
  2. Aufklärung und Sensibilisierung: Züchter und Pferdeliebhaber sollten über die ethischen und gesundheitlichen Auswirkungen des Kupierens aufgeklärt werden.
  3. Förderung alternativer Praktiken: Statt des Kupierens könnten alternative Maßnahmen wie das Binden des Schweifes bei bestimmten Arbeiten gefördert werden.
  4. Kontrollen und Sanktionen: Regelmäßige Kontrollen und strenge Sanktionen bei Verstößen gegen das Kupierverbot sind notwendig, um die Einhaltung der Gesetze sicherzustellen.

Fazit

Das Kupieren der Schweifrübe bei Kaltblut-Pferden ist eine umstrittene Praxis, die in vielen Ländern mittlerweile verboten ist. Trotz der Argumente für ästhetische und praktische Vorteile überwiegen die ethischen Bedenken und die Notwendigkeit des Tierschutzes. Eine einheitliche und strikte Gesetzgebung sowie eine umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit sind entscheidend, um das Wohl der Pferde zu gewährleisten und diese barbarische Praxis endgültig zu beenden.

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